Sommermorgen im Hinterhof

by Sven Heuchert

Barfuß über das feuchte Gras; es ist immer der erste Schritt, der dich daran erinnert. Helle Nächte, in denen es still wird in den Straßen, so still, dass du die Kanalisation unter dir hören kannst, ein fortwährendes Rauschen, es ist die Pisse und Scheiße, der Abfall unserer Zivilisation, der durch die Rohre fließt wie Blut durch unsere Adern, dieser Gedanke allein … und tagsüber streiten sich auf den Mauern die Amseln um einen noch lebenden Wurm, sie werden ihn mit ihren Schnäbeln zerreißen. Die Katzen verstecken sich im Schatten hinter den Mülltonnen, träge, doch stets bereit zum Sprung, die Hitze macht auch Mäuse rammdösig, ihre aufgebissenen Kadaver auf der Terrasse sind Zeuge davon (überhaupt wird viel getötet in dieser Zeit) und wir sitzen da und rauchen und trinken und warten darauf, dass noch etwas Großes passiert. Das ist ganz und gar grausam, die Tage werden uns lang und langsam, und am Ende stehen wir schon mit einem Bein im Herbst und warten auf den Winter. Wir schauen schweigend dem letzten goldenen Licht hinterher und spüren ein leichtes Frösteln, denn man weiß es ja, man ist nur ein halb so guter Mensch, wie man denkt.